Institut zur Förderung der intuitiven Musik und schamanischen Klangheilkunde

“Intuition im Alltag und in der Musik” – ein Vortrag von Markus Stockhausen

VonHans-Peter Dibke

“Intuition im Alltag und in der Musik” – ein Vortrag von Markus Stockhausen

Vortrag von Markus Stockhausen am 2.6.2016 beim Kongress „Spiritualität im Alltag“ der Akademie Heiligenfeld in Bad Kissingen

Kurz zu meiner Person: ich bin in erster Linie Musiker, Trompeter, manchmal Komponist, und zur Hälfte meiner Zeit unterwegs mit Konzerten weltweit. Schon früh kam ich durch meinen Vater, den Komponisten Karlheinz Stockhausen, mit der Intuitiven Musik – ein Begriff, den er geprägt hat – in Berührung.

Andererseits gebe ich seit geraumer Zeit viele Seminare zum Thema „Singen und Stille“, „Heilsame Klänge“, „Vom Klang zur Stille“, „Intuitive Musik“ und ich spiele öffentliche „Klangmeditationen“, bei denen das Publikum auch eingeladen wird mitzusingen. Ich habe für mich erkannt, dass es eine ideale Verbindung gibt zwischen Musik und Spiritualität. Musik öffnet einen unmittelbaren Zugang zu unsere Seele und zur Quelle in uns. „Transformation durch Klang“ könnte man den roten Faden meiner Arbeit nennen, und ich möchte Menschen helfen, den Zugang zu ihrer eigenen Kreativität und Intuition zu finden. Das führt mich zum Thema.

In der Musik, und besonders in der intuitiven Musik, wie ich sie seit einiger Zeit hauptsächlich spiele, ist die spontane Eingebung, das unmittelbare Erfassen einer Situation und die Schöpfung der Musik das Essentielle. Einige Dinge sind da Voraussetzung: die Beherrschung des Instruments, damit dem Fluss der Ideen nichts im Wege steht, und ein ruhiger, stiller, klarer Geist; eine gelassene Konzentration und ein absolutes Vertrauen in die Eingebung, die innere Führung, in den Prozess des intuitiven Spiels.

Da hilft die Erfahrung sehr. Eines Tages spürte ich, dass der nächste Schritt für mich sei, ein Solokonzert ganz mit intuitiver Musik zu spielen. Das hatte ich noch nie gemacht. Das war Mitte der neunziger Jahre. Bald wusste ich, dass das geht, dass die Quelle der Ideen unerschöpflich ist und ich mir nie Sorgen machen muss in Verlegenheit zu kommen um den nächsten Ton, die nächste Idee. Einzig muss ich ganz bei mir bleiben, mich nicht ablenken lassen und in ständiger Konzentration bleiben. Die hatte ich bereits Jahre lang geübt in den schwierigen Werken meines Vaters.

So ist der Prozess des intuitiven Spiels – ähnlich dem Komponieren – folgender: Man versucht genügend ausgeruht zu sein und genügend psychische Energie gespeichert zu haben, dann sammelt man sich. Man beginnt mit einer ersten auftauchenden Idee. Ist keine da, wartet man. Ein erster Ton genügt. Daraus ergibt sich ein zweiter, ein dritter, eine Melodie usw. Ein Ton folgt dem nächsten. Spielt man mit anderen zusammen, ergibt sich sofort ein Geflecht von Wechselspielen, und man ist aufs Äußerste gefordert, wach zuzuhören – außen und innen – und alle Impulse zu verarbeiten.

Das eigene Gefühl, die eigene Phantasie, die Eingebung, das Wahrnehmen der anderen Töne, des Raumes, der anwesenden Menschen – alles schwingt ineinander und führt zum nächsten Ton. Viel stärker als bei der Interpretation komponierter Musik ist in der Improvisation oder eben besonders in der Intuitiven Musik der Augenblick alles, alles gestaltet sich im JETZT. Daher bezeichne ich diese neue Art zu musizieren auch manchmal als einen Yoga, der ganz sicherlich zu größerer Bewusstheit und Achtsamkeit führt.

Nun muss man nicht meinen, dass man immer wieder bei Null anfinge, nein. Der gesamte persönliche Erfahrungsschatz steht einem unterbewusst zur Verfügung. Zum Glück. Darüber hinaus auch der kollektive Erfahrungsschatz, der dazu führt, dass man Musik erfinden kann, die man aus sich heraus so nie hätte spielen können. Sie ist eindeutig inspiriert von dem, was andere zuvor erfunden haben. Stichwort ‚morphogenetische Felder‘. Ich habe das im Jazz zuweilen erlebt: in einer gewissen musikalischen Stimmung, im Zusammenspiel mit anderen oft sehr guten Musikern, spielte ich einen Stil, der mir eigentlich garnicht zu eigen ist, den ich aber spüren und sofort umsetzen und ausdrücken konnte.

Alles, was ich gelernt habe, mein musikalischen Wissen und Können, meine Ästhetik, die sich über Jahre geformt hat, mein instrumentales Können – solange ich übe und fit bleibe bzw. mich weiter zu verbessern trachte – all das steht mir nun im Moment des Jetzt zur Verfügung. Auch das Denken spielt eine hilfreiche Rolle, es ist ein Instrument des Erkennens, Wissens und Handelns. Und es existiert der Zugang zu einer übergeordneten Intelligenz, die das Spiel wie mit unsichtbarer Hand führt. Darin liegt ein großes Geheimnis. Als ob höhere Kräfte daran interessiert wären, dass sich bestimmte Situationen, musikalische Zusammenkünfte harmonisch gestalten, mit einer Strahlkraft durchwebt. Wenn der Musiker bereit ist und das auch will. Große Worte, aber irgendwie ist es so.

Wie gestaltet sich nun die Intuition im Alltag ?

Es ist ein Verbundensein mit einem höheren Bewusstsein in uns, einer anderen Perspektive, die sich über die alltäglichen, zeitlich-räumlichen Gegebenheiten erhebt. Wenn wir unsere Antworten und Lösungen ausschließlich aus den äußeren Gegebenheiten, aus alltäglichen Situationen ableiten, werden wir stets nur begrenzte Antworten finden, werden wir das Gewohnte wiederholen. Dies sieht man heute immer wieder sehr deutlich: wie alte, verhärtete Strukturen geradezu zwanghaft wiederholt werden, aus Angst vor dem Neuen. Kollektiv ringen wir um den Fortschritt. Wenn wir uns jedoch lösen von die äußerlichen Bedingtheiten und uns verbinden mit dem unendlichen, zeitlosen Bewusstsein in uns – das wir letztlich sind -, dann gelangen wir zu ganz anderen Einsichten, Schlüssen, Ergebnissen.

Erst im Überschreiten aller Bedingtheiten öffnet sich eine höhere, eine weitere, eine ganz andere Sicht. Sie erlaubt das Einströmen von Wahrnehmungen, von Informationen, die sich aus einer Ganzheit speisen, immer frisch, immer passgenau zu der jeweiligen Situation im Alltag. Das klingt groß, ist aber unspektakulär, und geschieht oft ganz spontan.

Ein Blick auf die Bewusstseinentwicklung der Menschen auf der Erde: wie lange braucht es, ehe wir uns individuell entwickeln; wie kurz ist doch ein Leben! Erst durch unzählige Erfahrungen und wiederkehrende Existenzen entwickelt und differenziert sich unser Empfinden und Denken, ehe es fähig wird komplexe Strukturen zu erfassen und feine Gefühle zu empfinden. Dazu muss eine Reinheit des Herzens und der innersten Absicht kommen, sonst wird man schlussendlich doch fehlgeleitet.

Die größten Denker, Künstler, Wissenschaftler hatten immer eine komplexe, reife Persönlichkeit, die ihnen eine umfassende Intuition ermöglichte, sodass sie Dinge schufen, die für uns alle wegweisend sind. Und auch dann waren sie manchmal nicht gefeit vor falscher oder unvollkommener Wahrnehmung. Menschsein will gelernt sein. Ein einfach strukturierter Geist wird einfache Ideen empfangen und wiedergeben, ein hochdifferenzirter Geist kann ganz andere Zusammenhänge sichtbar machen. Goethe, Johann Sebastian Bach, Einstein und viele andere haben unsere Kultur geprägt. Wie hoch entwickelt müssen die Wesen sein, die ein so fantastisches, komplexes Ökosystem wie unsere Erde geschaffen haben und weiter im Lot halten ?

Die Intuition entspringt einem höheren Bewusstsein, einer geistigen Vertikalität, die sich heraushebt aus der Horizontalität des uns umgebenden kollektiven Bewusstseins. Dieses Bild möchte ich gerne vertiefen. So steht die Horizontalität für das Weltliche, das räumlich-zeitliche Geschehen, die Vertikalität hingegen für das Zeitlose, immer im Jetzt agierende Einströmen der kosmischen Kraft und Intelligenz. Das Kreuz also. Im Körper, oder noch schöner gesagt, im Herzen, begegnen sich diese beiden Dimensionen, die körperlich-materielle, und die geistig-spirituelle. Ein erwachtes Herz lebt und empfindet in der Welt, inspiriert von der überweltlichen Intelligenz. Sie waltet mit unermesslicher Güte und Weisheit in allem. Und wir sind Teil dieser Intelligenz.

Es ist dieselbe Intelligenz, die alles Leben unentwegt in Gang hält und erneuert, die Quelle allen Lebens. Wie werde ich mir dieser anderen, fundamentalen Dimension in mir bewusst ? Wie kann ich für sie durchlässig werden, sie beständig im Alltag erleben, anwenden, erinnern, sodass sie als meine wahre Natur erkannt wird, immer zugänglich, immer präsent? Darauf haben alle spirituellen Wege versucht Antworten zu geben. Letztlich ist es ein individueller Bewusstwerdungsvorgang.

Es geht also um ein Verlagern des Bewusstseins von der ständigen und alleinigen Koppelung an die Außenwelt, zu der auch unsere Gedanken gehören, hin zum immer präsenten, stillen Innenraum. Ein Spagat: innen und aussen gleichermaßen wach zu sein. Erst durch beständige Erinnerung, Übung kann dies gelingen, und dann mehr und mehr als natürlich und eigentlich einfach empfunden werden, weil diese Dimension immer verfügbar ist, immer direkt, spontan, immer richtig.

Ein klarer, stiller Geist führt mich zur Intuition. Wie erlange ich ihn? Indem ich den Geist zur Ruhe bringe, ihn immer wieder reinige von allen Vorstellungen und Anhaftungen, allen Identifikationen. Das muss geübt werden. Dem kollektiven Gedanken- und Emotionssog zu entfliehen und das Eigene wirklich zu spüren ist gar nicht so leicht. Es bedarf einer Vorbereitung und einer inneren Ausrichtung auf das Höhere in uns. Das Mental, also unsere Denkfähigkeit, bedarf einer Weitung, und ebenso sollte unsere Empfindungsfähigkeit immer differenzierter werden. Ein geistiger Schulungsweg, ein integraler Yoga also, der alle Lebensbereiche erfasst und uns vorbereitet, um höhere Schwingungen aufnehmen zu können, ja überhaupt erst spüren zu können.

Meditation, Yoga, Singen – viele Wege stehen uns heute offen. Schon kurze Momente der Stille, des Innehaltens während des Tages, helfen sich innerlich anzuschließen, bis wir eines Tages fortwährend durchlässig, angeschlossen, also bewusst sind. Dann kann die Intuition ganz natürlich von innen her aufleuchten, als klare Eingebung, als greifbar zu Erkennendes.-

Ein stiller Geist ist in Frieden. Wahre Friedensarbeit ist die Transformation der eigenen Natur. Intuition ist ein vertrauensvolles Sich-leiten-lassen vom inneren Weisheitsgeist, frei von fremder Beeinflussung. Dann stehen die kleinen Dinge der alltäglichen Handlungen gleichgefühlt neben den großen, weitreichenden Entscheidungen, die unser Leben in immer neue Bahnen lenken.

Abschließend die Worte eines lieben Lehrers, die sowohl auf den Alltag wie auch die Musik bestens zutreffen: Es genügt den nächsten Schritt zu erkennen und zu handeln. Analog in der intuitiven Musik: den nächsten Ton. Und dann erscheint der folgende. In tiefem Vertrauen lenken wir ein in den Strom einer umfassenden, überweltlichen Intelligenz, die alles weise gestaltet und inspiriert. Der Quelle in mir, in Dir, in Allem.

Beitrag: mit freundlicher Genehmigung von Markus Stockhausen

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